Albanien 2011

"Europas letztes Geheimnis ..."

Inspiriert durch die gleichnamige Fersehreportage, durch zunehmend häufiger zu findene Reiseberichte von Albanien und letztendlich durch die Möglichkeit unsere Reiseenduros auch mal ohne Beschränkungen artgerecht fortbewegen zu können, habe ich den Entschluß für eine Reise nach und durch Albanien gefaßt.

Mit von der Partie sollte mein Sohn sein, der damit auch mal etwas ganz anderes erlebte als nur Ostfriesische Inseln oder Bootfahren auf innerdeutschen Flüssen. Ein Motorrad für ihn war schnell gefunden. Wir nahmen hierzu einfach die GS meiner Freundin. Die Freundin mußte folglich zuhause bleiben. Ich denke, daß es diesbezüglich auch keine Diskussionen gab, da der erwartete Schwierigkeitsgrad des Schotterfahrens ihre ansonsten sehr guten Straßenfahrtechniken überstieg. An dieser Stelle bedanke ich mich nochmal ausdrücklich bei Ina, die durch ihren Verzicht und durch ihr Verständnidiese Reise für uns überhaupt erst ermöglicht hat.

Ein Bekannter, Hans, wie sollte es auch anders sein, hatte sich, so wie es halt seine Art ist, ohne große Diskussionen einfach angeschlossen. Ob der vorher wußte was tatsächlich auf ihn zukommen könnte? Egal, wir waren nun zu dritt, jeder mit einer R1200 GS.

Die Reise war für den Zeitraum ab 20.05.2011 vorgesehen. Bis spätestens zum 03.06.2011 mußten wir zurück sein. Ein straffer Zeitplan, der im Nachhinein betrachtet, keine unvorhergesehenen Ereignisse zuließ und der auch im Nachhinein betrachtet einige Kompromisse bezüglich der gefahrenen Strecken erforderte. Vorgesehen war die Anreise auf eigener Achse bis Ancona, von wo aus unsere Fähre nach Igoumenitsa in Griechenland am 21.05.2011, 16:00 Uhr abfuhr. Da die Anreise bis Ancona (ca. 1200 km) an einem Tag nicht zu schaffen war, beschloß ich diese auf zwei Tage aufzuteilen. Der erste Tag bis Imola (910 km, 15 h Fahrzeit), die restlichen ca. 200 km (ein Katzensprung) am 2. Tag. Die Anreise, zu 70 % Autobahn, war mit den aufgezogenen Geländereifen TKC 80 eine Tortur. Aber die Reifen haben gehalten, Profil für Albanien war noch genügend vorhanden und wir sind, wenn auch fix und fertig, rechtzeitig in Ancona angekommen.

Von Griechenland ging es dann am 22.05.2011 ca. 20 km bis zur Griechisch/Albanischen Grenze. Für Albanien hatte ich insgesamt fünf Tage vorgesehen, der Rest für die Heimfaht über Montenegro, Kroatien, Slowenien, Österreich und Deutschland. Nach den ersten Schotterpassagen zeigte sich jedoch recht schnell, daß mit den angesetzten fünf Tagen nicht alle der geplanten Strecken zu befahren sein werden. Also mussten wir Strecken streichen, darunter leider einige der besonders sehenswerten. Dies waren:

- die Strecke von Berat nach Kelcyre
- die Strecke von Peshkopia über das Drin-Tal nach Kukes
- die Fahrt mit der Fähre über den Koman-Stausee

Die Nordrunde (Tagestour) von Shkoder nach Theth und zurück hatte ich ohnehin nur als Joker ausgewählt, falls noch Bedarf an Schotter bestehen sollte. Ungeachtet dieser Streichungen sind wir drei Schotterstrecken in Albanien gefahren, von welchen insbesondere die durch die Schlucht von Gramsh nach Maliq bleibende Eindrücke bei mir hinterließ.

Und wir sind ohne Stürze, ohne Verletzungen und ohne größere Pannen wieder nachause gekommen.

Ein einmaliges Erlebnis oder purer Leichtsinn?

Viele aus unserem Freundes- und Beklanntenkreis schüttelten nur den Kopf und verstanden nicht wie man freiwillig nach Albanien fahren kann.

Hohe Kriminalitätsraten, Mord- und Totschlag, Blutrache, Mafia, Autodiebstähle und illegaler Organhandel in den 90iger Jahren sowie schmutzige und finstere Gestalten waren häufig verwendete Argumente, die gegen eine Fahrt dorthin genannt wurden. Bei genauerem Hinterfragen stellte sich dabei jedoch immer wieder heraus, daß ein Großteil dieser Meinungen wohl eher auf Unwissenheit als auf belegbaren Fakten beruhten.

Fragte man allerdings die, die schon vor Ort waren und damit die Menschen auch kennengerlent haben, bekam man überwiegend ganz andere Antworten. Und genau das hatten wir im Vorfeld unserer Planung auch getan. Wir haben gefragt. Die durchweg positiven Antworten deckten sich in keiner Weise mit den oft gehörten Vorurteilen. Es gab natürlich mafiöse Organistationen und es gab auch die besagten Entführungen von Kindern und den Organhandel. Aber das war in Albanien genauso ein Verbrechen wie es auch bei uns gesehen wurde. Und es eben nur ein Gruppe von Kriminellen und nicht das ganze Volk an sich.

Was wir hautnah erleben durften:
grandiose Landschaften in einsamer Umgebung und überwiegend freundliche und hilfsbereite Menschen. Eine Hilfsbereitschaft, die in Anbetracht der teilweise ärmlichen Umstände in denen die Menschen dort leben für uns Westeuropäer vielfach schon als beschämend hilfsbereit genannt werden kann. Diese Erfahrung deckte sich mit den Erfahrungen der Menschen in vergleichbaren Ländern, die wir in Vergangenheit selbst schon bereist haben. Wenn wir Unfreundlichkeit erlebt haben, dann dort wo wir es eigentlich nicht erwartet hätten. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Wir haben den Versuch gewagt und wir sind heil und ohne Probleme wieder nachhause gekommen. Ein gesunder Menschenverstand und eine gesunde Portion Mißtrauen Fremden gegenüber ist immer angesagt. Dieses Mißtrauen darf allerdings nicht das ganze persönliche Handeln bestimmen, sonst fährt man nämlich wirklich besser nicht hin.

Zurück in Deutschland hatte ich per Zufall einen Bericht über den Organhandel in den 90iger Jahren gesehen. Es ist schon erschütternd zu sehen mit welcher Menschenverachtung die damalige UCK Menschen, besser Serben zu Geld gemacht hat. Das läßt sich aus meiner Sicht auch nicht mit den Verbrechen der Serben in Srebrenica aufwiegen, bei dem ca. 8000 Menschen auf Befehl des Oberbefehlshabers der bosnischen Serben Ratko Mladic hingerichtet wurden. Auch wenn das schon wieder etliche Jahre her und damit schon fast wieder Geschichte ist, so läßt sich jedoch nicht abstreiten, daß es etliche Mithelfer und Befürworter in der albanischen Zivilbevölkerung gab, von denen wir auf unserer Reise möglicherweise den einen oder anderen als netten Menschen kennen gelernt haben. Ich weiß nicht, ob ich in Anbetracht meines jetzigen Wissensstands nach Albanien gefahren wäre. Nicht aus der Angst, daß etwas passieren könnte, sondern einfach aus Prinzip heraus mit solchen Menschen nichts zu tun haben zu wollen. Aber diese Entscheidung stellt sich jetzt höchstens für ein mögliches nächstes mal. Und zum Glück waren auch nicht alle Mneschen so.

Gute Vorberereitung ist ein Muß

Albanien ist seit nach Öffnung der Grenzen Ende der achziger Jahre ein aufstrebendes Land. Viele infrastrukturelle Verbesserungen wurden bereits umgesetzt, insbesondere im Küstenbereich in der der Tourismus langsam zu einer deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse führt.

Vieles ist jedoch noch zu machen. Ein relativ dünnes und schlecht ausgebautes Straßennetz im Landesinneren, bei denen, bis auf wenige Hauptrouten, die Straßen noch Pistencharakter haben. Wo es noch keinen ADAC bzw. dessen Partnergesellschaften gibt bei denen man im Falle eines Falles auf Hilfe hoffen kann. Umso wichtiger ist es sich entsprechend vorzubereiten und ggf. auch in der Lage zu sein sich selbst weiterhelfen zu können, etwa bei einer Reifenpanne.

Aber genau das macht aus meiner Sicht den Reiz der Reise aus. Die zeitlich begrenzte Flucht aus der uns sonst so geliebten Rundumversorgung. Das bißchen Restabenteuer, das es vereinzelt in Europa noch gibt. Der Kick Neues zu entdecken, sich Herausforderungen zu stellen und diese auch bewältigen zu können. Und natürlich die grandiosen Landschaften, scheinbar abseits jeglicher Zivilisation.

Genau das ist es was für uns das Enduro-Reisen wirklich ausmacht, wonach wir gesucht haben und wo wir in Albanien mehr als fündig wurden.

Während der Planungsvorbereitungen hatte ich die Befürchtung, in ein Land zu kommen in denen die meisten Straßen mittlerweile asphaltiert sein würden. Eine naive Vorstellung nachdem was wir dort gesehen haben. Es wird noch Jahrzenhte dauern bis die Verkehrsinfrastruktur den Stand erreicht hat, den man beispielsweise von Kroatien her gewohnt ist und der es dann auch "normalen" Motorradreisenden ermöglicht das Land ungezwungen bereisen zu können. Es wird auch zukünftig noch genügend Straßen geben die nicht asphaltiert sind, weil deren Ausbau mit enormen Kosten verbunden sein wird, die in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung der Straßen stehen werden.

Kartenmaterial, Reiseführer und Dokumente

Kartenmaterial:
Es gibt derzeit nur wenige geeignete Karten für Albanien, deren Genauigkeit den örtlichen Verhältnissen entsprechen. Wir hatten zwei Karten verwendet:

Berndt & Freytag, Albanien 1:400 000, als Gesamtüberblick
Reise Know How, Albanien 1:220 000, für die Detailplanung und vor Ort

Bezüglich der farblichen Klassifizierung der Straßen und der Aktualität der Daten muß man Abstriche in Kauf nehmen. Viele der als Straßen gekennzeichnete Verbindungen sind bessere Trampelpfade, einige als rot gekennzeichnete Hauptverbindungen sind zwar asphaltiert aber in hundsmiserablem Zustand. So sind wir beispielsweise auch auf eine,eigentlich gut zu befahrende gelbe Straße (Nebenstraße) gestolpert, die sich abschnittsweise im Nachhinein als schwer zu befahrende Strecke mit tiefschottrigen Steigungen herausstellte.

Als hilfreich bezüglich der Streckenauswahl erwiesen sich beispielsweise auch die Internetseiten von MDMOT "Straßen- und Offraoadtouren" und Offroad-Reisen.com sowie aktuelle Reiseberichte, von denen es zusehend mehr und mehr gibt. Ein absolutes Muß natürlich der ausführliche Reiseführer Albanien von Volker Grundmann mit zahlreichen genauen Streckenbeschreibungen.

Routingfähige karten für Garmin & Co. sind nicht verfügbar. Bei bunkertrails.org gibt es nicht routingfähige Karten für Garmin-Geräte zum Herunterladen. Ich hatte die Karte "Albania GeoPolitical GPS Basemap" in MapSource und auf mein GPS278 geladen, womit ich die gewünschten Strecken markieren und anhand der gesetzten Wegpunkte vor Ort auch kontrollieren konnte. Die Karte entspricht zwar auch nicht dem neuesten Stand, im wesentlichen
passen die Strecken aber ganz gut und die Genauigkeit der eigescannten Daten stimmt. Zusammen mit den Karten stellte die Navigation auch abseits der Hauptrouten damit kein Problem dar.

Reisepapiere: (Stand Mai 2011)
Erforderlich sind folgende Dokumente:

- Reisepaß (Gültigkeitsdauer mind. 6 Monate)
- Fahrzeugschein
- gültige grüne Versicherungskarte
- Führerschein (es reicht der kleine EU-FS aus)

Wir hatten noch eine ins Albanische übersetzte und beglaubigte Benutzungsvollmacht für eines der Motorräder dabei, da der Fahrer nicht der Besitzer war. Außerdem ist es ratsam eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, um einen Totalverlust oder einen nicht gedeckten Fremdschaden abzusichern. Die Vollkasko ist, entsprechende Rabatte vorausgesetzt, gar nicht so teuer. Kopien der Papiere usw. und wichtige Adressen versteht sich von selbst.

Außerdem sollte man sich folgende Nummern notieren:

ADAC-Hilfe:
Pirro Cajupi, Tel.: 00355 (0)682377995, pirrocajupi@yahoo.com

Mechaniker Marko (spricht deutsch):
00355 (0) 692993100

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Skënderbeg Str., Nr. 8
1000 - Tirana
Telefon: +355 (0) 4 2274 505

Vorbereitung von Mensch und Maschine

Als Vorsorgemaßnahme gegen Schäden bei Umfallern oder Stürzen hatte ich bei allen Maschinen die original Zylinderkopfschützer der ADV montiert (Kosten ca. 140,- Euro/Satz). Diese sind aus Aluminium und machten für mich den stabilsten Eindruck im Vergleich zu den Zubehörschützern. In Kombination mit den bereits vorhanden Sturzbügeln von BMW und Touratech sowie den Systemkoffern schützen sie die empfindlichen Zylinderkopfdeckel wirksam vor Durchschlägen, die beim Drauffallen auf einen hervorragenden Stein auftreten können.

Bei meiner Machine und der Maschine meiner Freudin hatte ich die breiten ADV-Fußrasten montiert (Kosten ca. 110,- Euro/Satz). Bei mir zusätzlich eine Lenkererhöhung von 25 mm. In Verbindung mit unseren Enduro-Stiefeln ist das Fahren im Stehen, wie man es aufgrund der besseren Gewichtsverteilung und der besseren Balance vorzugsweise im Gelände praktiziert, kein Problem. Natürlich noch die passenden Reifen. Entschieden haben wir uns für die TKC 80 von Conti, da diese im Gelände ordentlich Grip haben, auch Autobahnfahrten mit verminderter Geschwindigkeit (< 120 km/h) klaglos aushalten und auf trockenem Asphalt auch noch klasse zu fahren sind.

Teile am Rahmen die mit den Stiefeln in Berührung kommen, sollte man vorsorglich mit mehreren Lagen Klebeband umwickeln. Nach drei Tagen Schotterfahren im Stehen, waren bei mir durch die Stiefel Rahmenteile bis auf das Metall durchgescheuert.

Für die Fahrer habe ich einen 1Tages-Endurokurs in Hechlingen gebucht. Wenn man schon auf die Nase fällt, dann bitte richtig. Den Kurs kann ich jedem nur empfehlen der vergleichbares vorhat. Der Kurs ist relativ teuer (340,- Euro inkl. R12 GS) aber sein Geld wirklich wert. Und Spaß macht er auch noch.

Und last but not least haben mein Sohn und ich an einem 1. Hilfe-Kurs teilgenommen. Das mag für den einen oder anderen alles etwas übertrieben klingen. Für mich ist es das nicht. Ich bin jemand für den es keine ausweglosen Situationen gibt. Gewußt wie, geht es immer weiter.

Erforderliches Werkzeug und Ersatzteile

Je nachdem welches Motorrad man fährt und was man selbst machen kann.

Reifenpannen hielten wir für den wahrscheinlichsten Defekt. Und mit einem eingefahrenen Nagel und einer Schraube wurde diese Vermutung auch bestätigt.

Ich hatte deswegen TipTop-Flicken, Vulkanisierflüssigkeit, einen Druckluftprüfer, Montierhebel und eine kleine Fußpumpe mit dabei. Außerdem ein Reparaturset von Louis (Würste) zur Reparatur von Schlauchlosreifen von außen. Und natürlich entsprechendes Werkzeug, um die Räder ein- und ausbauen zu können. Meine Strategie war:

1. mit defektem Rad versuchen bis zur nächsten Flickbude "Gomisteria" zu kommen und den Reifen dort von innen mittels Flicken reparieren zu lassen
2. Bis zu einer Tankstelle zu kommen (wg. Druckluft) und den Reifen selbst von innen mittels Flicken zu reparieren (deswegen die Montierhebel)
3. Falls alles nix hilft den Reifen von außen mit den Würsten abdichten, mit Pumpe aufpumpen und bei nächster Gelegenheit Punkt 1 oder 2 nachholen

Wir hatten einen Defekt (Nagel und Schraube in einem Reifen) und konnten noch ca. 30 km bis zur nächsten Gelegenheit weiterfahren. Dort wurde der Reifen dann für umgerechnet ca. 3 Euro mit Kaltvulkanisieren wirklich fachmännisch repariert. Dank des mitgebrachten Werkzeugs war dies auch kein Problem. Der Monteur hätte das Rad wegen der hierzu erforderlichen Spezialwerkzeuge nicht wechseln können. Also an das passende Werkzeug denken!!!

Resumee

Unbedingt machen, solange es noch so ist wie es ist. Für mich als Balkanfan war es ein Highlight meiner bisherigen Reisen.

Richtige Reifen, gute Vorbereitung und mit dem richtigen Maß an Respekt die Sache angehen. Dann wird es eine Reise die einem in guter Erinnerung bleibt.